MADEIRA 3.1. – 24.1.2023


Die paradiesische Blumeninsel mit dem erstaunlich milden Klima liegt mitten im Atlantik. Im Gegensatz zu meinem Besuch vor etwa 25 Jahren ist sie etwas weniger paradiesisch geworden und auch die Blumenpracht ist nicht ganz so üppig. Ersteres ist dem Fortschritt geschuldet, der auch vor dieser Insel nicht Halt macht und Autobahnen und für nahezu jeden Erwachsenen ein Auto fordert, Mietwagen für Touristen nicht mitgerechnet. Zweites liegt an der Jahreszeit. Doch wenn man bedenkt, dass es Jänner ist, kann man mit der Blumenvielfalt zufrieden sein.

Funchal, die Hauptstadt, gleicht einem Amphitheater. Die Häuserreihen kriechen bis zu 1000 m die steilen Berghänge hinauf und schauen alle auf die Bühne, den Atlantik. Unsere Apartmentanlage befindet sich ca. auf halber Höhe. Das Wetter um die 20 Grad meint es gut mit uns, die Sonne scheint, zumindest an der Südküste. Angeblich ist es im Westen und Norden öfters kalt und regenreich, aber ich glaube es nicht.


Madeira ist von Levadas durchzogen. Das sind Bewässerungskanäle, an denen entlang man wandern kann. Direkt in Funchal, neben dem Estadio Barreiros befindet sich ein Eingang zur Stadtlevada, die sich oberhalb von Siedlungen durch Bananenplantagen und Kakteenhängen schlängelt, bis sie sich schließlich nach ca. zwei Stunden Gehzeit über einem schwindelerregenden Abgrund eng an die Felswand schmiegt. Ist das Gehen auf den etwa 25cm breiten, betonierten Einfassungen der Kanäle schon nicht ganz einfach — Gehen und gleichzeitig die Gegend Betrachten ist nicht empfehlenswert, will man nicht im Wasser oder in den Kakteen landen —, so wird es an den Felsen richtig abenteuerlich. Ich bin nicht schwindelfrei und es kostete mich große Überwindung, lange Passagen mit den überhängenden Felsen über mir und dem Abgrund neben mir zu balancieren. Denn selbst die 25cm breiten Einfassungen sind aus Platzgründen nicht immer vorhanden und die Abstände zwischen den Steinplatten, die man provisorisch über das Wasser gelegt hat, werden immer größer. Zwar schützt ein Geländer vor dem Abgrund, das jedoch an einigen Stellen nicht besonders vertrauenserweckend wirkt. Etwas erleichtert war ich nur, wenn wir eine dieser Höhlen durchquerten,  auch wenn sie so niedrig waren, dass wir hindurch kriechen mussten.

Am nächsten Tag nehmen wir den Bus nach Ribero Frio. Vom Meeresspiegel kurvt der Bus auf eine Höhe von über 1400m. Es wird merklich kühler. Schon der vollbesetzte Bus lässt ahnen, dass wir hier nicht alleine sein werden. Und die Massen von Autos, die am Zielort die Straßen säumen, erst recht. Kein Wunder. Der Marsch zu den Balcoes entpuppt sich als gemütlicher Spaziergang von knapp einer Stunde, sowohl für Kinderwagen als auch für Gehbehinderte machbar. Trotz der Kolonnen, die sich auf den Weg machen, ist es eine Wanderung durch einen märchenhaften Wald, der ebenfalls, wie könnte es anders sein, eine Levada entlang führt. Es geht durch Eichen- und Lorbeerwälder, an den Ästen hängen Flechten und tummeln sich kleine hübsche Vögel, wie Buchfinken und Bergstelzen. Sogar Kanarienvögel soll es hier geben. Und die Aussicht vom Balkon ist wirklich grandios. Vor uns die höchsten Gipfel Madeiras, Pico Arieiro und Pico Ruivo. Auf der rechten Seite öffnet sich das Tal zur Ostküste. 


Die Gipfelwanderung haben wir noch vor uns. Die junge Frau an der Rezeption unseres Apartments schüttelt zwar den Kopf, als wir ihr von unseren Plänen erzählen. Offenbar traut sie uns diese Wanderung nicht zu. Nun, wir werden sehen. 


Zum Abschluss essen wir noch eine Forelle aus dem Ribero Frio in einer kleinen Bar, die wie ein Adlerhorst über dem Taleinschnitt hängt.

Heute hatten wir einen entspannten Tag geplant, doch er endete mit 9 km und 18000 Schritten. Vom Park Santa Catarina führt eine Promenade bis zur Praia Formosa, einem schwarzen Strand mit Lavakieseln und -sand. Leider entpuppte sich die Promenade, von der wir annahmen, sie ginge an der Küste entlang, über lange Strecken als Gehsteig neben stark befahrenen Straßen, da die Steilküste mit riesigen Hotelkomplexen verbaut ist. Zwar kann man sich als Fußgänger glücklich schätzen, überhaupt einen Gehsteig zu finden, denn die meisten steilen Straßen in Funchal sind zu schmal, um neben den Autos noch Platz für Fußgänger zu bieten, sodass man sich an die Häuserwände drücken muss, um nicht unter die Autos zu geraten, die mit erstaunlichem Tempo den Berg hinauf und hinunter rasen, doch ein gemütlicher Spaziergang sieht anders aus. Vorbei am Luxushotel Reid’s Palace mit der gegenüberliegenden Villa Victoria, wo der unglückselige, jedoch inzwischen selig gesprochene letzte Habsburger Kaiser Karl I. mit seiner Familie sein erstes Quartier im Exil bezogen hat.  Endlich erreicht man den Lavastrand über eine unglaublich steile Straße, die schließlich mit unzähligen Stufen bergab führt. Nun sind wir schon mal so weit gehascht, dass unbedingt ein Bad im Atlantik angesagt ist. Und tatsächlich: er ist wärmer (20 Grad!) als zur Zeit das Mittelmeer ( 18 Grad, Lt. Internet), auf alle Fälle deutlich wärmer als unser Swimmingpool beim Apartment, wo ich trotz gefühlter 17 Grad jeden Tag ein paar Runden schwimmen muss. Denn wozu ist er schließlich da. 


Leider endet der Versuch, einen bequemeren Weg vom Strand zurück auf die Straße zu finden in einer Sackgasse, sodass uns nichts anderes übrig bleibt, als uns die 128 Stufen und die steile Straße wieder hinauf zu quälen.

Ein paar Worte zum Bussystem auf Madeira. Es gibt viele Busse, die alle in Funchal Bus Terminal starten und dort enden. Klingt kompliziert, ist es auch. Nahezu jede Linie ist eine eigene Firma, sodass man beim Umsteigen jedes Mal erneut zahlen muss. Es dauert eine Weile, bis man begreift, wie das System funktioniert. Außerhalb Funchals ist es mehr oder weniger Glückssache, ob ein Bus, der nach Fahrplan kommen sollte, tatsächlich auch kommt. Das machen sich manche Taxifahrer zunutze, indem sie kurz vor der geplanten Ankunftszeit der wartenden Menge anbieten, sie für soundsoviel zurück in die Hauptstadt zu bringen. Wir haben in Ribero Frio dieses Angebot angenommen, aus Angst, bis zum späten Abend in den Bergen hängen zu bleiben. Ob der Bus gekommen wäre, werden wir nie erfahren.

Nachdem gestern kein entspannter Tag war, sollte es heute einer werden. Der Weg von unserem Quartier hinunter zum Hafen, wo eine Seilbahn zum Monte hinauf gondelt, ist schon Routine. Die Kirche Nossa Senhora do Monte ist die letzte Ruhestätte unseres letzten Kaisers, der bereits 35-jährig vor genau 100 Jahren von der Spanischen Grippe dahingerafft wurde. Vor kurzem wurde er vom Papst selig gesprochen, weil er angeblich eine Nonne von ihren Krampfadern befreit hat, als Toter, wohlgemerkt. Sein Herz liegt allerdings in der Schweiz, wohin es seine Witwe Zita mitgenommen hat. 


Nachdem wir unserer K.und K.-Geschichte Referenz erwiesen haben, haben wir die Wahl. Wieder mit der Seilbahn nach ganz unten, mit einer anderen zum Botanischen Garten — wie die Busse gehören sie ebenfalls verschiedenen Kompanien an —, oder, man ahnt es bereits, es gibt einen Wanderweg, der fast direkt zu unserem Apartment führen soll. More or less. Da ein Höhenunterschied von 800 m bewältigt werden muss, geht es natürlich steil bergab. Nach ca. 1 Km ist der Weg gesperrt. Ein Schreiben des Senhor Presidente da Camara Municipal do Funchal weist darauf hin, dass die estrutura do pavimento kollabiert ist. Was nun? Ich will nicht wieder diesen steilen Berg zurück hinauf. Wir beschließen, weiterzugehen, das Verbot des Presidente zu ignorieren. Ab nun führen ichweißnichtwieviele Treppen in Serpentinen fast zwei Stunden lang die Schlucht hinab. Es ist ein wildromantischer Weg, keine Frage, aber meine Knie wissen das nicht zu schätzen. Mit jedem Schritt müssen wir damit rechnen, dass der Weg kollabiert und dass der Weg zurück uns in die Dunkelheit führen würde, denn hier wird es abrupt und früh dunkel. Nach weiteren zwei Kilometern treffen wir auf einen ebenso verunsicherten deutschen Wanderer, der sichtlich erleichtert ist, als er uns erblickt. Nun sind wir schon zu dritt, denen womöglich ein ungewisses Schicksal bevorsteht. Tatsächlich sind einige Seile, an denen man sich festhalten kann, kollabiert, doch der Steg, wenn auch schlecht gepflegt, geht irgendwie weiter. Der letzte Kilometer ist erneut eine Herausforderung für meine Höhenangst. Wie letztes Mal führt ein schmaler Weg dicht am Felsen entlang, doch diesmal schützt kein Geländer vor dem Abgrund. Schweißgebadet, doch sicher erreichen wir schließlich das Ende der Schlucht. 

4 Gedanken zu „MADEIRA 3.1. – 24.1.2023“

  1. Liebe Sylvia,

    endlich ein angenehmes Thema zum Lesen.
    Es liest sich mit so viel Leichtigkeit, so wie du schreibst, erlebe ich das, als wäre ich dort mit dir.
    Ich wünsche dir weitere schöne Erlebnisse und ich freue mich auf den nächsten Bericht.
    LG,
    Olga

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  2. Ja meine liebe Schwester, wenn man lang den Lavadas laufen möchte!!
    muss man Ballet können!! Du liebst schon Verbotenes!!
    Wunderbare Bilder und sehr gut geschrieben! Danke
    Deine Einzige

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  3. Ach Sylvia – man wird schon schwindelig beim Lesen ! So ein Abenteuer, du bist seht mutig. Doch es ist ein pures Vergnügen, deine Schilderungen einzusaugen. Pass bitte auf ud komm gesund zurück !
    ganz liebe Grüße Elfie und Franz

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  4. Liebe Sylvia!

    Kaum von unserem 2-1/2-wöchigen Urlaub in Kambodscha/Thailand zurück, darf ich mich mit dir auf eine digitale Reise nach Madeira begeben. Wie immer ist es ein Genuss, deine Reiseberichte zu lesen.

    Weiterhin schöne Tage voller Erlebnisse!

    Liebe Grüße
    Hieu

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